Erfahrungsbericht Finnland, Helsinki

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Bildungs-Musterland. Pisa-Riese. Spitzennation. Finnland ist nun schon seit über 20 Jahren fast ein Synonym für ein vorbildliches Schulsystem. Doch ist das Gras auf der anderen Seite so viel grüner? Wir wollten uns das mal genauer ansehen. Also ging es nach Helsinki. Der Anbieter EduFuture hat sich auf Kurse zum Themenkomplex „Finnisches Bildungssystem“ für alle „Nichtfinnen“ in Europa spezialisiert. Sogar ein Professor aus den USA war mit dabei, um ein wenig vom finnischen Spirit mit über den Atlantik nach Hause zu nehmen. Neben Vorträgen zum Schulsystem und einigen pädagogischen Konzepten standen auch Schulbesuche auf dem Programm. Surprise, surprise - auch im „happiest country in the world“ gibt es ganz gewöhnliche, sprich marode Schulgebäude. Und dennoch sind diese etwas anders konzipiert – vom Bereich Grundschule bis hinein in die Berufliche Bildung wird viel Wert auf Bewegung und körperliche Aktivität gelegt. Und beim Thema Digitalisierung ist das ohnehin technikaffine Land wirklich weit. Der wirkliche Unterschied, der die Finnen von anderen Nationen unterscheidet, ist aber wohl der Trust-Faktor. Pasi Sahlberg, ein renommierter finnischer Bildungsforscher und Autor der Bücher „Finnish Lessons“ und „In Teachers we trust“ hat diesen weichen Faktor tatsächlich als den markantesten Unterschied zu anderen Nationen und Schulsystemen herausgearbeitet. Trust bedeutet so viel wie Vertrauen. Und dieser Faktor ist in der finnischen Gesellschaft wirklich verankert. Im Kontext Schule heißt das, die Eltern Vertrauen den Schulen, die Schulleiter vertrauen den Lehrkräften, die Lehrkräfte vertrauen den Schülern und umgekehrt. Natürlich gibt es auch verbindliche Rahmenbedingungen, dennoch bleibt im Lebensbereich Schule ein großer gestalterischer Spielraum. Ein zweiter großer Faktor ist das Ansehen von Lehrkräften. Der Lehrerberuf in Finnland geht mit jeder Menge Prestige einher. So klingelt in finnischen Haushalten gut und gerne schonmal eine ganze Woche das Telefon für Glückwünsche aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, wenn nach der Schule ein begehrter Platz für das Lehramtsstudium ergattert wurde. Mitunter sind das Aspekte, die sich schwer auf unser eigenes Bildungssystem übertragen lassen. Das Mindset der Gesellschaft ändert man nicht einfach so.

Für unsere eigene Arbeit am Beruflichen Schulzentrum können wir folgendes mitnehmen: Etwas mehr Vertrauen wagen, Raum zum selbstorganisierten Lernen und zur Reflexion geben. Wenn wir mehr Vertrauen von der Gesellschaft wollen, müssen wir selbst als Schulzentrum mit gutem Beispiel vorangehen. Und beim Thema Digitalisierung brauchen wir uns ohnehin nicht verstecken. Da sind wir mindestens „finnisch“ aufgestellt!

Ach ja, die Finnen sind übrigens Weltmeister im Kaffeetrinken und im Saunieren. Vielleicht liegt auch hier ein noch nicht entdeckter Faktor zu Optimierung unseres Schulzentrums. Beim Kaffee kommen wir sicherlich an den finnischen Durchschnittslehrer ran. Aber eine Sauna haben wir noch nicht. Es wird Zeit für ein ernstes Gespräch mit der Schulleitung…

geschrieben am 11.12.2023